Das Schloss der Weltreisen

Das Wasserschloss St. Hubertus-Heerse birgt einen Kulturschatz der besonderen Art. Wer diesen Schatz noch nicht kennt, sollte sich baldmöglichst auf den Weg zu ihm machen.

Schon ein Blick über Kirschlorbeer und den antik anmutenden Eisenzaun lässt erahnen, was auf der anderen Seite auf den Besucher wartet.
Eingebettet in das umgebende Eggegebirge, welches einen Teil des Naturparks Teutoburger Wald bildet, liegt das Wasserschloss St. Hubertus-Heerse idyllisch inmitten des schönen, und hochoffiziell als „Kulturort“ bezeichneten Neuenheerse.

In direkter Nachbarschaft steht der „Eggedom“, die ehemalige Stiftskirche. Sie bildet eine wichtige Verbindung zum Wasserschloss, denn dieses war fast über tausend Jahre lang die Abtei des kaiserlichen freiweltlichen hochadligen Damenstifts Heerse. Schon seinerzeit wird die schöne Gegend rund um den heutigen Kulturort Neuenheerse mit seinen Wäldern, Erhebungen und der Nethequelle Eindruck gemacht haben.

Ein Ort zum Bleiben – und ein guter Platz für ein Damenstift. Das wird sich auch der dritte Bischof von Paderborn, Luithard, gedacht haben. Er gründete dort das Damenstift im Jahr 868 zusammen mit seiner Schwester Walburga, weil dort aus dem Heiligen Boden das Wasser kommt. Quellwasser, wie auch dem der Nethequelle, wurde schon seit jeher Heilkraft zugesprochen, die Quellen wurden verehrt und die Menschen ließen sich an diesen heiligen Orten nieder. Beginnend mit der Gründung des Stifts stand eine wechselvolle Zeit bevor. Schon 871 gewährte König Ludwig der Deutsche dem Stift kaiserliche Privilegien.

Unter der Leitung einer Äbtissin lebten fortan sogenannte Stiftsdamen an diesem Ort. Dies waren zumeist unverheiratete Töchter aus sämtlichen westfälischen Adelsfamilien, die in dieser religiösen Lebensgemeinschaft, ohne Ablegung von Gelübden, nach Ansicht ihrer Familien bis zu ihrer möglichen Heirat im Stift Heerse wohlverwahrt und -versorgt waren. Heutzutage würden wohl die meisten Töchter bei diesem Gedanken rebellieren!

Im Gegensatz zum klösterlichen Leben brachten die Stiftsdamen oft ihr eigenes Mobiliar und ihre Dienerschaft mit und machten von ihrem persönlichen Besitz Gebrauch. Und eines Tages klopfte vielleicht ein Edelmann an das Tor, nahm die Adelstochter zur Frau und eine neue Stiftsdame fand ihren Platz „auf Zeit“ im Damenstift Heerse.

Im 16. Jahrhundert legte die derzeitige Äbtissin mehr Wert auf ein repräsentatives Gebäude und so entstand das Schloss in seiner Form, wie sie weitgehend noch heute zu bewundern ist. Allerdings könnten die Gemäuer nicht nur Geschichten aus der Stiftszeit erzählen.

Seit Anfang des 19. Jahrhunderts wechselte das Gebäude mehrfach den Besitzer, diente nach 1945 zeitweise als Quartier für alliierte Soldaten, bis es in den 1950er Jahren von den Missionaren vom Kostbaren Blut gekauft wurde und längere Zeit als Internat für Jungen mit entsprechenden Unterrichtsräumen Verwendung fand. Noch heute erinnern die kleinen Toiletten und Waschbecken im Dachgeschoss an diese Zeiten. Aber wie es oftmals so ist – die Modernisierung hielt Einzug. Zeitgemäße Gebäude für die Internatsschüler mussten her, ein modernes Schulgebäude wurde gebaut. Zwar alles in direkter Nachbarschaft des Schlosses, aber dieses verlor für diese Zwecke immer mehr an Bedeutung…. und auch der Zahn der Zeit hatte mal wieder fleißig am Gebäude genagt. Nein, das war dann doch des Guten zu viel – die neuen Internatsgebäude und dazu noch das stark renovierungsbedürftige Wasserschloss.

Den Missionaren lag nun nichts näher, als das kostenintensive Gebäude in die Hände eines neuen Besitzers zu legen. Da ergab es sich, für die heiligen Brüder wohl auch ein bisschen Gottes Fügung, dass ein Ehepaar aus Dortmund, Generalhonorarkonsul von Ghana Manfred O. Schröder und seine Frau Helga gerade zu dieser Zeit ein schönes und repräsentatives Anwesen suchten. Dieses sollte nicht nur in kleinem Maße als Wohnung für Kurzbesuche des Paares dienen, sondern viel mehr als Unterbringungsort für unzählige wertvolle Erinnerungsstücke, Sammlungen, Geschenke von Staats- und Stammesoberhäuptern, Kunstgegenstände und vieles mehr, welche das Ehepaar Schröder über lange Jahre auf beruflichen als auch privaten Reisen in alle Welt, häufig unter schwersten Bedingungen, zusammengetragen hat. Ein Kraft- und Zeitaufwand, den unsereins als „Durchschnitts-Touri“ mit den üblichen Urlaubsandenken vom Markusplatz in Venedig oder dem Strandpromenadenlädchen in Grömitz, nicht nachvollziehen kann.

Der Plan war, diese ganzen Dinge in der Zukunft auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das Schloss als auch das vorgelagerte Torhaus zeigten sich als geeignet für dieses Vorhaben, und so erwarb das Ehepaar Schröder 1989 dieses Anwesen und setzte damit den Grundstein für die heutigen Vereinigten Museen. Doch vorab blieb es nicht aus, kosten- und arbeitsintensive Umbau- und Renovierungsarbeiten vorzunehmen. Dabei wurde auch die Gräfte in Augenschein genommen. Der Begriff „Gräfte“ ist die westfälische Bezeichnung für einen Wassergraben, der ursprünglich einen Adelssitz zu Verteidigungszwecken umgab. Dieser Wassergraben wurde seinerzeit beim großen Umbau im 16. Jahrhundert angelegt. Gespeist wird die Gräfte seit jeher durch das Wasser der bereits erwähnten Nethequelle.

Die Nethe selbst mausert sich ab Neuenheerse zu einem kleinen Flüsschen, das sich über eine Länge von gut 50 Kilometern seinen Weg durch die schöne Landschaft bahnt, dabei so manchen Ort durchfließt oder aus dessen Nähe grüßt, bevor es dann in Godelheim in die Weser mündet. Die gesamten Sanierungsarbeiten verteilten sich über mehrere Jahre, aber schon bevor im Jahr 2003 die aufwändige Außenrenovierung des Schlossgebäudes vorgenommen wurde, konnten die seinerzeit rund 10.000 Exponate schon 1996 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Bis heute sind viele weitere Jahre vergangen, in denen das Ehepaar Schröder noch viele Reisen durch aller Herren Länder unternommen hat. Die Zahl der Exponate ist bis heute auf über 20.000 gestiegen. Eine unglaubliche Zahl, die man erst bei deren tatsächlichem Anblick erfassen kann. Um diesen Kulturschatz und das Wasserschloss selbst gut verwaltet zu wissen, gründete das Ehepaar Schröder 2007 eine Kulturstiftung. Gemeinsam mit dieser wurde ein weiteres Museumsgebäude – die St. Hubertus-Helga-Hallen – südlich des Schlosses errichtet und 2016 eingeweiht. Demnächst wird hier auch noch eine großartige Gemäldesammlung ihren Platz finden.

Den Besucher erwartet eine kleine Weltreise bei einer Führung durch das Museum. Er bereist hierbei die verschiedensten Länder und Kontinente. Es geht durch Afrika, Asien, über einen Abstecher nach Indien weiter nach Australien und die Südsee, nach Süd- und Nordamerika bis hin in arktische Regionen, wobei man Walross und Eisbär in die Augen blicken kann. Auch Europa ist natürlich vertreten, zeigt seine Geschichte unter anderem im Bereich der Jagdkultur als auch mit Blicken in und auf heimatliche Räume und Gegenstände aus der guten alten Zeit. Es lässt sich schwer vorstellbar machen, was einen hier erwartet – man muss es einfach gesehen haben. Selbst so manche Berühmtheit aus Politik, Wirtschaft und Adel hat es sich nicht nehmen lassen, einen Blick hinter die verheißungsvollen Fassaden des Wasserschlosses zu werfen. Darunter auch Andreas Salvator von Habsburg-Lothringen, ein Urenkel von Sisi und Franzl von Österreich. Na, wenn das nichts Großes erahnen lässt!

Jetzt, wo die Bäume noch kein Laub tragen, kann sich der Wanderer von den Anhöhen rings um Neuenheerse leicht eine Wanderroute aussuchen. Diese führt dann sicher auch durch den Stiftswald. Dieser Forst gehörte fast tausend Jahre lang zum ehemaligen Damenstift und sollte nach langer Zeit in fremden Händen im letzten Jahr wieder den Weg zurück finden.

Generalhonorarkonsul Schröder, der aufgrund seiner großartigen kulturellen Leistungen, die heute im Wasserschloss St. Hubertus-Heerse demonstriert werden, zum Ehrenbürger der Kultur- und Badestadt Bad Driburg ernannt wurde, erwarb den Wald und übergab diesen zur zukünftigen Verwaltung an die Kulturstiftung.

Nun haben in den letzten Jahren Stürme, Trockenheit und Borkenkäfer ihre unübersehbaren Spuren auch im Stiftswald hinterlassen. Wo ehemals neben anderen Baumarten viele Fichten ihre Wipfel in die Luft streckten, standen und lagen über Monate umgewehte und abgestorbene Bäume. Ein trauriger Anblick. Das soll sich jedoch ändern! Mit viel Engagement, Tatkraft und guter Planung soll der Stiftswald wieder zu einem prächtigen Forst werden. Das geht verständlicherweise nicht von heute auf morgen – gut´ Ding will Weile haben -, aber die Wurzeln dafür sind im wahrsten Sinne des Wortes schon zu einem großen Teil gesetzt. Mehr als 6000 Bäume wurden bereits in die Erde gebracht.

Viele helfende Hände haben unter der bewährten Leitung von Herrn Forstamtsrat Wilfried Drüke dabei klimatisch sinnvollen Arten wie Weiß- und Küstentannen, Lärchen, Douglasien, Schwarzkiefern, Atlaszedern, Buchen, Winterlinden, Walnusssträucher, Edelkastanien und Wildkirschen im Eggeboden ihre zukünftige Heimat gegeben. Sollten die Zeichen der Hoffnung im Kampf gegen das Coronavirus bald wieder ein lang ersehntes Leben in altgewohnter Normalität bringen, könnte ein Spaziergang durch den Stiftswald und die idyllische Landschaft vielleicht auch seinen Abschluss am Wasserschloss St. Hubertus-Heerse finden. Und wenn sich der Wandersmann oder die Wandersfrau dann noch zu einer Museumsführung angemeldet hat, trägt das feste Schuhwerk auch noch durch ein bisschen fremde Welten, durch die Fauna Afrikas, die Götterwelt Indiens, vorbei an Muschelschmuck Polynesiens…ach, Sie wissen schon. Nicht? Dann planen Sie diese Reise doch für die nächstmögliche Gelegenheit ein!

Bis es soweit ist halten gute Seelen Schloss und Schlossanlage „in Schuss“, allzeit bereit, bei hoffentlich baldiger positiver Entwicklung der Lage, wieder Tür und Tor für den Besucher zu öffnen und das Wasserschloss St. Hubertus – Heerse aus seinem Dornröschenschlaf zu erwecken. Zu erwähnen ist noch, dass ständig Trauungen im Wasserschloss St. Hubertus – Heerse stattfinden. Diese sollten über das Standesamt der Stadt Bad Driburg gebucht werden.

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